Im Web wird nicht gelesen, warum also sollte man der typografischen Gestaltung im Web überhaupt noch große Beachtung schenken? Genau deswegen! Eine gute Typografie kann ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Website sein, eben genau weil Nutzer nicht lesen. Was im ersten Moment ein Widerspruch scheint soll im Folgenden erklärt werden

Wie Nutzer im Web lesen (oder eben auch nicht)

Beim Browsen im Web und beim Aufrufen einer Website sind Benutzer zumeist auf der Suche nach ganz bestimmten Informationen, die in diesem Augenblick von entscheidender Relevanz sind.

Entsprechend folgt auch das Leseverhalten im Web, im Gegensatz zu beispielsweise dem Leseverhalten eines Buches, keinem linearen Muster. Die Nutzer scannen die Informationen die dargestellt werden und halten dabei Ausschau nach Keywörtern, die dem Gesuchten entsprechen.

Insgesamt lesen Nutzer im Web also eher nicht - dafür gibt es zwei entscheidende Gründe.
Zum Einen ist das Lesen auf Bildschirmen (zumeist) anstrengender und ermüdender als auf Printmedien, entsprechend brauchen wir mehr Zeit zum Lesen. Zum Anderen bietet das Internet eine nicht zu überschauende Masse von Informationen, in der es binnen kürzester Zeit zu filtern gilt.

Auch dieses vielleicht zunächst undankbar erscheinende Nutzerverhalten bietet Chancen zur Gestaltung. Man muss sich darauf einstellen und erkennen, dass Texte im Web anders wahrgenommen werden.

Eine stabile Typografie kann hierbei einen entscheidenden Teil zu einem positiven Eindruck beitragen und den Nutzer in seinem Verhalten unterstützend zur Seite stehen. Denn hat ein Nutzer erst einmal relevant erscheinende Informationen gefunden, bleibt er zumeist länger auf der Seite und ist auch bereit tiefer in diese einzusteigen. Entsprechend gilt es den Nutzer früh abzuholen und bei der Stange zu halten.

Leserlichkeit ≠ Lesbarkeit

Inhalte einer Website werden in 99% der Fälle in Form von Text dargestellt. Text ist das einfachste und universellste Kommunikationsmittel zugleich. Damit die darin enthaltenden Informationen erkannt und gefiltert werden können, ist die mindeste Anforderung an eine Textpassage, dass diese über ausreichend leserlich ist.

Doch Vorsicht - Leserlichkeit ≠ Lesbarkeit. Leserlichkeit bedeutet zunächst nur, dass der Text zu entziffern ist, eine qualitative Aussage, wie einfach dies ist wird hierbei aber nicht getroffen. Der Anspruch einer jeden Gestaltung sollte es sein, dass ein Text darüber hinaus über eine gute Lesbarkeit verfügt. Um diese zu gewährleisten gilt es zunächst den Lesekontext zu beachten.

Kontext beachten

Nicht alle Textpassagen einer Website werden identisch wahrgenommen, die offentsichtlichste Unterscheidung stellen hierbei wohl Überschriften und Fließtexte dar.

Überschriften sind zumeist (sehr) kurz, umfassen nur wenig Text und sind zudem meist größer gesetzt. Man liest diese nur für einen kurzen Augenblick, entsprechend kann hier die Lesbarkeit leicht in den Hintergrund rücken, nicht jedoch die Leserlichkeit! Dem dekorativen Charakter von Typografie kann in Überschriften Rechnungen getragen werden und somit die Atmosphäre der Website beeinflusst werden.

Lesbare Fließexte gestalten

Fließtexte hingegen beinhalten meist die zentralen Informationen im Gegensatz zu Überschriften handelt es sich zudem meist um längere Textpassagen. Um das Scannen dieser Texte zu vereinfachen, gilt es diese Texte möglichst lesbar zu gestalten. Doch was beeinflusst die Lesbarkeit einer Schrift überhaupt? Hierzu möchten wir euch ein paar kleine Tipps geben.

Das 1x1 der Typografie beachten

Absolute Grundlage einer guten typografischen Gestaltung ist es, das 1x1 der Typografie zu beachten. Entsprechend sollten Zeilen nach Möglichkeit zwischen 45 - 75 Zeichen lang sein. Zeilenabstände sollten ausreichend, jedoch nicht zu groß sein (Textpassagen mit kurze Zeilen vertragen kleinere Zeilenabstände als solche mit langen Zeilen) und auch die Schriftfarbe sollte ausreichend Kontrast zum Hintergrund bieten. Allem vorran steht natürlich eine ausreichend große Schriftgröße.

Eine ausreichende x-Höhe

Mittlerweile steht eine Vielzahl von Schriften zur (freien) Verwendung zu Verfügung. Dabei fällt es schwer die richtige zu finden. Ein entscheidendes Kriterium zum finden einer guten Schrift für Fließtext sollte jedoch eine ausreichende x-Höhe sein.

Die x-Höhe beschreibt den Abstand zwischen der Grundlinie einer Zeile und der Mittellänge. Sie definiert somit auch die Größe der Kleinbuchstaben im Verhältnis zu den Versalien. Eine große x-Höhe führt dazu, dass Versalien weniger dominant wirken und Kleinbuchstaben größer - entsprechend sind diese auch besser lesbar. Hierbei gilt jedoch nicht zwingend umso größer die x-Höhe umso besser. Viel mehr gilt es ein ausgeglichenes Maß zu finden. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass Schriften mit einer geringen x-Höhe schwerer lesbar sind.

Gut zu unterscheidende Buchstabenformen

Gut zu unterscheidende Buchstabenformen tragen einen entscheidenden Anteil zur Lesbarkeit eines Textes bei. Besonders wichtig sind hierbei die Unterschiede oberhalb der Mittellängen.

Um dies zu verstehen gilt es zunächst einen Blick darauf zu werfen, wie Menschen lesen. Beim Lesen wird nicht jeder Buchstabe einzeln wahrgenommen. Das Auge springt in so genannten Sakkaden über den Text. Hierbei werden besonders die visuellen Informationen im oberen Teil des Schriftbildes wahrgenommen und ist obligatorisch beim entziffern von Texten. Entsprechend gilt es besonders in diesem Teil Unterschiede zu schaffen.

Typografische Strukturen schaffen

Ein weiteres Mittel zur Verbesserung der Lesbarkeit ist es, typografische Hierachien zu schaffen. Überschriften sollten größer sein als Unterüberschriften und diese wiederrum größer als der Fließtext. Hierbei können neben der Schriftgröße auch Farben und andere Schriften zur Differenzierung dienen.

Solche Typografische Hierachien dienen zur Strukturierung der Inhalte und führen den Leser durch eben diese - das scannen von Textpassagen wird dadurch einfacher. Weitere Mittel die einen Text leichter scanbar machen und diesem eine bessere Struktur bescheren sind die Folgenden:

  • Aussagekräftige Zwischenüberschriften verwenden
  • Ausreichend viele Zwischenüberschriften verwenden
  • Absätze kurz halten
  • Keywörter herausheben
  • Listen nutzen (sofern inhaltlich sinnvoll - so wie hier)

Die Chance ergreifen

Wie ihr seht, kann man mit überschaubarem Aufwand seine Texte entscheident modifizieren. Wichtig ist es hierfür die Nutzer und deren Verhalten zu verstehen und die daraus resultierenden Chancen zu ergreifen. Es gilt nicht den lesefaulen Besucher zu verfluchen, weil er die mühsam und mit Liebe zum Detail geschriebenen Texte nur überfliegt, sondern ihn bei diesem Prozess zu unterstützen.

Hierbei sollte man vorallem präzise und klar kommunizieren, unwichtige Informationen bei Seite lassen und dadurch eine hohe Informationsdichte erreichen. Besonders bei der Gestaltung der Navigation einer Website ist es wichtig, dies zu beachten.Klar benannte Menüpunkte bieten dem Besucher Orientierung, unklar benannte führen dazu, dass der Benutzer womöglich einen für ihn nicht relevanten Menüpunkt anklickt, nicht die gewünschten Informationen findet und die Seite anschließend verlässt.

Be precise!